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Interview nach Zensur-Eklat: Ali Zülfikar lobt das Linzer Kunstpublikum
Herr Zülfikar, was ist in den letzten Tagen auf Ihrem Handy los gewesen?
Das ist natürlich unfassbar, so viele Nachrichten, Kommentare und so viel Interesse an meinem Kunstwerk! Viele Künstlerkolleginnen und Kollegen waren wütend wegen der Zensuren. Nach diesem Zensur war das Publikum bei der Vernissagen genau wie ich, wütend. Manche Bekannte haben sich gemeldet, aber auch Kunstkritiker und -liebhaber. Ich habe Glückwünsche und Unterstützung erhalten – auch von einem Kunsthistoriker, der mich als Professor unterrichtet und sich für meine Haltung bedankt hat.
Gab es auch Reaktionen aus der Türkei?
Ich habe in der Türkei sehr viele Freunde und Verwandtschaft, meine ganze Familie lebt dort. Was ich erfahren habe, diskutieren sich die türkische Kunstszenen über die Zensur und meine Kunst. Doch die haben natürlich Angst. Wenn man dort etwas Negatives postet, bekommt man schnell Probleme. Deshalb habe ich verhindert, dass sie mich öffentlich loben. Auch viele Künstler scheuen davor zurück, öffentlich kritische Dinge weiterzuverbreiten. Aber mutige Menschen gibt es überall. Onlinezeitungen und auch andere türkische Medien haben über mein Kunstwerk berichtet.
Und Angriffe von Erdogan-Fans gab es nicht?
Nein, bisher nicht. Ich habe letztes Jahr eine Auszeichnung als Künstler des Jahres abgelehnt. Ich glaube, wenn man jemanden ehrt, kann man den gleichen Künstler nicht so schnell wieder angreifen, selbst wenn er die Ehrung nicht annehmen möchte.
Wie ist es aus Ihrer Sicht um die Kunstfreiheit in der Türkei bestellt?
Im Moment leider sehr schlecht. Die kritische Kunst ist praktisch tot. Nur wenn man kommerzielle Kunst malt oder fröhliche Menschen, wird man gelobt. Es gibt überhaupt keine Chance, etwas Kritisches zu zeigen oder man geht sofort ins Gefängnis. Wie die Malerin Zehra Dogan, die zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, neun Monaten und 22 Tagen verurteilt wurde - wegen eines Gemäldes. Und das bestimmen nicht Gerichte, sondern es ist eine politische Entscheidung. Darf man Erdog
an selbst überhaupt malen? Ich habe keine Ahnung. Ich habe jedenfalls noch kein Porträt von ihm gesehen.
Sie sind seit 25 Jahren international als Künstler tätig und haben gesagt, dass Sie einen Vorgang wie den um ihr Kunstwerk in Linz noch nicht erlebt haben. Was für ein Licht wirft das für Sie auf Linz?
Es ist schon erstaunlich, dass in so einer kleinen Stadt ein solcher Skandal geschieht, aber auch das, was danach passiert ist. Das Publikum rückt alles in ein positives Licht. Das Publikum wollte das Kunstwerk unbedingt sehen und hat schon Druck gemacht. Deshalb haben wir das Kunstwerk umgedreht und richtig herum aufgehängt. Als dann der Bürgermeister von seinem Hausrecht Gebrauch machen und das Publikum nach Hause schicken wollte, habe ich mich dagegen gewendet: Ich bin hier als Künstler eingeladen, es ist mein Kunstwerk, von der Kuratorin zugelassen. Es geht um die Freiheit der Kunst und Meinungsfreiheit. Ich habe dem Bürgermeister gesagt, dass er uns schützen muss, meine Kunst und meine Gäste.
Welche Gefühle hat das Ganze unmittelbar bei Ihnen ausgelöst?
Ich war aufgeregt, hatte sogar starke Schmerzen. Ein Arzt hat meinen Blutdruck kontrolliert. Ich bin eigentlich sehr gesund, habe aber Magenkrämpfe bekommen. Aber später war alles wieder in Ordnung. Der Bürgermeister hat mich dann angerufen und sich für seine verkehrte Entscheidung entschuldigt. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich habe großen Respekt davor, dass ein Politiker eine falsche Entscheidung zurücknimmt. Können Sie für die Entscheidung von Stadtbürgermeister Faust auch Verständnis aufbringen, dafür dass er nach dem Anruf des Konsulats verunsichert war. Wir leben in Deutschland! Da habe ich so etwas nicht erwartet, denn hier gibt es eigene Gesetze, die man verteidigen muss. Er musste der Konsulin entgegentreten und sagen: „Erstatten Sie doch Anzeige, dann prüfen wir das. Danach können wir Ihnen unsere Entscheidung mitteilen.“ So ist das für mich eine schockierende Entscheidung. Ich habe gedacht: Wo lebe ich? Dieses Land hat ein Grundgesetz, das Kunst- und Meinungsfreiheit garantiert. Was war für Sie der Grund, Präsident Erdogan so in ihrem Kunstwerk zu zeigen? Ich habe lange Zeit gebraucht um die schmerzhafte wahre Geschichte auf Leinwand zu zeichnen. Mein Kunstwerk ist eine Dokumentation dessen, was in der Türkei in den vergangenen 20 Jahren passiert ist. Es tut mir leid meine Schmerzen ausdrücken zu müssen über die Verletzungen junger traumatisierter Menschen, indem ich davon zeichne. Ich musste, dass mit meiner eigenen Schmerzen endlich Schluss ist.
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