KATALOG PRÄSENTATION
ALi ZÜLFIKAR : ANGESICHTER
von Prof. Dr. Heijo Klein
15. Juni 2017, Bonn
Die großformatigen Porträtbilder von Ali Zülfikar stellen eindrucksvoll die Physis des menschlichen Gesichts dar. Sie erscheinen wie Landschaften mit ihren Höhen und Tiefen, mit den Falten und Fältelungen, auch wie ein feinteiliges Wurzelwerk. Als ein Netzwerk von Vegetation ist es auf die Tiefen der Augen konzentriert, in denen wie in kleinen Seen der Betrachter sein Gegenbild findet, umrahmt von den Dämmen des Jochbeins und den felsartigen Formationen von Ohr und Nase als Gipfel, gegenüber den weiten Ebenen von Wangen und Stirn und dem waldartigen Bewuchs des Haares von Brauen und Haupthaar.
„Angesichter“ – Arbeiten von Ali Zülfikar. ©Thomas Schmidt, Stadt Herne
Doch die Physis dieser Gesichts-Landschaft ist bestimmt durch die Psyche des Individuellen. Es ist das Gesicht eines Menschen, in dem sich die Zeitspanne eines Lebens widerspiegelt – die Jahre, die ‚ihre Spuren eingegraben haben’, aber auch das Eigene, das Spezifische, das den Menschen als einzelne Persönlichkeit kennzeichnet. Es ist weiterhin die Mimik, in der die Unmittelbarkeit des Erlebten sich äußert, die Emotionen, die sich visuell im menschlichen Gesicht äußern, das wir als Betrachter direkt – nonverbal – von unserem Gegenüber wahrnehmen.
I.
Ali Zülfiker hat deshalb für seine Bilder das übergroße Format gewählt, weil es diese Landschaft des menschlichen Gesichts in ihren Details auszubreiten vermag. Denn mehr noch als das alltägliche Gegenüber von Gesicht zu Gesicht, lässt im statischen Bild die überdimensionierte Vergrößerung uns als Betrachter mit unseren Augen ‚wandern’. Dabei geht unser Blick von Detail zu Detail, und – anders als im täglichen Leben – nehmen wir addierend diese Seh-Eindrücke wahr, und mit unseren Blicken über das Bild, erfassen wir alldies sukzessive.
Dies unterstützt Zülfikar durch die zeichnerische Auffassung seiner, wie Gemälde wirkenden, großformatigen und gerahmten Bilder. Denn anders als mit dem Pinsel der Malerei werden von Zülfikar mit dem Zeichenstift Strich für Strich die Einzelheiten seiner zuerst gedachten ‚Bilder’ aus seiner Vorstellung auf die Leinwand übertragen, sodass dieses sukzessive Moment den Arbeitsprozess des Künstlers mit der Rezeption des Betrachters verbindet. Doch ist auch die Reduktion der Farbigkeit ein wesentlches Moment dieser Bilder. Denn mit den Abstufungen der Tonwerte auf der Skala zwischen Weiss und Schwarz sind es die Zwischentöne, die das Bild in seiner Aussage konzentrieren und es aus der ablenkenden Vielfarbigkeit des Üblichen herauslösen. Beides – das Überformat und die Grautöne – sind spezifische künstlerische Mittel, die Eindringlichkeit dieser Bilder menschlicher Gesichter zu steigern.
Ali Zülfikar fasst diese Bilder mit dem Titel „Angesichter“ zusammen. Da sind Porträts, die als Bildnisse einzelnen Personen zugeordnet werden können, da sind aber auch Bildnisse von Personen, deren Namen nicht genannt werden, weil sie darüber hinaus gehend, Allgemeines, dem menschlichen Gesicht generell Eigenes darstellen: Gesichter des Mannes und der Frau, in ihrer Zuständlichkeit, mit den Spuren des Lebens, und in Emotion und Reaktion auf Gegenwärtiges.
II.
Unter den namentlich bezeichneten Porträts tritt der bekannte „Albert Einstein“ hervor, der berühmte Wissenschaftler ist nach dem bekannten Foto in Zülfikars Zeichnung überlebensgroß (40x47 cm, 2016) in leichter Untersicht gesehen und im Ausschnitt, konzentriert auf den Blick, der am Betrachter vorbei auf Fernes gerichtet ist, das er erkennt Anders der anonyme bärtige „King of Smile“ (68x101, 2014 cm), der gleichfalls im Ausschnitt, doch im Halbprofil und näher dem Betrachter, ihn ernst und viel sagend anblickt. Der „King of the Glance“ hingegen (68x100 cm, 2014), monumental und frontal und wie Einstein in leichter Untersicht gesehen und auch er mit dem Blick in die Ferne, ein Porträt, das den kräftigen Kopf Picassos in Erinnerung ruft.
Doch auch Zeitgenossen aus dem Umkreis des Künstlers sind mit Porträts präsent: „Mr. Joos“ (68x100 cm, 2014), der im Halbprofil, den Betrachter lächelnd wahrzunehmen scheint, „Sonja“ – eines der wenigen benannten Frauenporträts – ist dem Betrachte zugeneigt und selbst im Ausschnitt von gewaltigem Ausmaß (160x100 cm, 2015). „Mr. Linden“ steht dieser im Format nahe (140x120 cm, 2016), doch mit dem skeptischen Blick auf den Betrachter steht er auf Distanz. „miss you“ hingegen (40x30 cm, 2015) zoomt das Gesicht des alten Mannes - zwischen Bart und Mund, den Augen und Haarsträhnen – nahe heran. „Uncle David“ (60x70 cm, 2015) steht für den Charakterkopf des alten Mannes, mit dem Netzwerk der Spuren des Alters, den vielen Falten, die sein Gesicht auf der hohen Stirn und auf den Wangen, mit markantem Kinn und buschigem Schnurrbart bezeichnen. Vorausgehend ist „David“ (100x68 cm, 2014), das ihn mit Kopfbedeckung, gestutztem Bart und lächelnd den Betrachter anblickend, zeigt.
III.
Zülfikars Darstellungen des menschlichen Gesichts aber gehen über das Porträthafte hinaus, indem sie die Mimik für Zuständliches, auch Emotionales einsetzen. Das mag in den großformatigen „Pirates of the Caribbean“ mit dem zerfurchten Antlitz gesehen werden, das dem Betrachter übergroß als sein Gegenüber und ihn anredend, entgegen tritt (150x150 cm, 2015). Auch in dem eindringlichen Bild „Agreed“ (100x68 cm, 2014) - nahe dem Porträt „Mr. Linden“ - ist es der durchdringende Blick, der den Betrachter fixiert. Auch “Kobane“ – der im Profil vorgestreckte, ausgezehrte Kopf des Alten, der zu sprechen scheint (150x150 cm, 2014) – ist hier zu nennen, oder noch gewaltiger: „The Cuban“ (200x120 cm, 2016), der frontal und prüfend den Betrachter anblickt.
Emotionales scheint auf in „Sorrow“ (200x140 cm, 2015), das im Ausschnitt der Enface-Darstellung und in der Umrahmung des Gesichts mit den Haarsträhnen an die Ikonographie des Schmerzensmannes denken lässt. „A Part of Me“ – nun im intimeren, kleineren Format (40x30 cm, 2015) zeigt die liebevolle Zuwendung mit einem Lächeln an, „Never Forget You“ (40x30 cm, 2015) das nachsinnende Erinnern, „Let’s Smile“ (200x140 cm, 2015), das großformatig und auffordernd dem Betrachter zulächelt. Ein lyrisches Moment wird deutlich in den Kabinettstücken: „Relating to Poet“ (30x24, 2017) voll Melancholie und in: „Song of Freedom“ (30x24, 2017) im Bild des orientalischen Helden. Aber auch die dunklen Seiten menschlicher Grenzbereiche fehlen nicht; „Invincible“ (30x24, 2017) das hagere Gesicht mit dem durchdringenden Blick und „Destruction“ (40x30, 2016) mit geradezu teuflischer Fratze.
IV.
Das Bild der Frau erscheint unter den von Zülfikar dargestellten Gesichtern gleichfalls separat als Einzelbild. Analogien lassen sich dennoch finden. So wird mit „Pleasure“ im Großformat (140x120 cm, 2015) die lächelnde alter Frau mit der Kaffeetasse dargestellt und findet ihr Pendant in: „The Pause“ (150x120 cm, 2015) – dem alten Mann mit Kaffeetasse und Zigarette. Die alte Frau – „Smiling shyly“ (150x120 cm, 2015) erscheint mit ihrem zerfurchten Gesicht, den Betrachter freundlich anblickend, dabei scheu die Hand vor den Mund haltend. In: „The Sunset“ (140x120 cm, 2015) - der Lebensabend: die Hände vor den Wangen und der Blick in eine Welt jenseits des Betrachters. Im Alter mögen sich die Geschlechter angleichen: „The Longing in Me“ (150x120 cm, 2016) – das zerfältete Gesicht mit der Brille. Man mag es auch humorvoll sehen: „Between two Souls“ , sich an den Kopf fassen und lachen. Aber Frau bleibt Frau auch im Alter: „A Moment please“ (200x120, 2014), wenn vor dem überraschenden Besuch noch rasch das Haar geordnet wird, oder: „Just a Moment“ (270x180 cm, 2016), wenn gerade auch im Alter man nicht ohne Eitelkeit noch schnell zum Lippenstift greift – und dies auf einem breiten Panoramabild erscheint.
Die junge Frau wurde bereits mit dem Porträt: „Sonja“ angesprochen, bei „Sunshine“ (30x24, 2017) ist das Gesicht der jungen Frau voll ins Bild gesetzt. Doch auch Melancholisches wird angesprochen mit: „Couldn’t say“ (30x24, 2017) und: „Aspiration“ (30x24, 2017) mit Streben und Sehnsucht, die dann in „I Want You“ (30x24, 2017) deutlich artikuliert wird und, wie die Bilder dieses Jahres, sich auf das Kabinett- und Folioformat konzentriert. .
V.
Überblickt man die „Angesichter“ von Ali Zülfikar, so ist diesen Bildern gemeinsam ein über-lebensgroßem Format, vom Kabinettstück im Folioformat bis hin zum Monumentalen. Sie nähern sich damit der menschlichen Körpergröße an, die jedem als Maßeinheit stets präsent ist, wobei die zeichnerische Darstellung in den Grautönen distanziert. Während diese zeichnerischen ‚Gemälde’ als Originale auf Distanz betrachtet und erlebt werden, sind die Abbildungen m Buch verkleinernd auf Nahsicht angelegt. Als Fotografien stehen sie in unmittelbarem Bezug zu den großformatigen Bildern und auch in dieser Relation mögen Zülfikars „Angesichter“ als ‚Landschaften’ des menschlichen Gesichts erlebbar sein.
Prof. Dr. Heijo Klein
Rheinische Friedrich Wilhelms-Universität Bonn
Erscheinungstermin: Juli 2017 ISBN 978-3-9818784-1-7
Preis: 21,40 €, vom Künstler signiertes Exemplar 24,80 € (limitiert auf 150 Kataloge).
Bestellung möglich unter: mail@partisan-kunstverlag.de und art@alizulfikar.com
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